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Donnerstag, Mai 1, 2025

Tabu Wunschkaiserschnitt: Die pränatale Rabenmutter


Kolumne

Unsere schwangere Kolumnistin beschäftigt sich mit der Möglichkeit eines Wunschkaiserschnitts und fragt sich: Warum endet das Recht auf weibliche Selbstbestimmung ausgerechnet bei der Geburt?

Collage mit Porträt von Kolumnistin Rebekka Bräm, Krone, Schere, Schneidelinie, Sprechblasen und Wegweiser. - Tabu Wunschkaiserschnitt?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mich schon seit meiner Kindheit dafür wappne, eines Tages einen Menschen zu produzieren, schliesslich gehört das als braves weibliches Mitglied der Gesellschaft einfach dazu. Nach kurzer feministischer Revolt stellte ich dann auch fest: Doch, ich wäre gerne Mutter. Trotzdem. Auf die Freude über den positiven Schwangerschaftstest folgte eine wachsende Angst.

Ohne Geburt komme ich da nicht wieder raus.

Die jahrzehntelangen Gedankenspiele wurden plötzlich Realität und der Countdown begann zu ticken.

Zu meiner Verwunderung und aufkeimenden Entrüstung struggle es gar nicht mal so einfach, sachliche Informationen zum Thema Wunschkaiserschnitt zu finden. Kaiserschnittgeburten werden von traurigen Schwangeren als schlechte Nachricht erduldet, so das Web, und begleitet von pseudo-mutmachenden Aussagen wie «Du hast nicht versagt!»

Sogar am Informationsmorgen in meinem Spital wird das Thema lediglich in einem Nebensatz erwähnt, während Ansätze, die meiner Meinung nach umstrittener sein sollten (Geburtshaus, Akupunktur, Craniosakraltherapie) bereitwillig ausgeführt werden.

Meine Empörung gipfelte in der Erkenntnis, dass ich mich gar nicht einfach so für einen Kaiserschnitt würde entscheiden können.

Mein Arzt müsste mir attestieren, dass ich psychisch nicht in der Lage bin, vaginal zu gebären. Sind all die Fortschritte in Richtung weibliche Selbstbestimmung komplett vorbeigegangen an der Geburtenindustrie? Und was ist mit medizinischem Fortschritt, wird der einfach ignoriert, um die Gunst der tiefenentspannten, naturverbundenen Durchschnittsschwangeren zu erlangen?

Auch für die Menschen um mich herum scheint völlig klar zu sein, dass ich die vaginale Geburt anstrebe. «Das Form kommt, wann es kommt», ist der O-Ton und das Thema damit abgeschlossen. Im Schwangerschaftsyoga werden wir gefragt, wo wir gebären wollen, aber nicht wie. Kaum eine Mutter, mit der ich spreche, hat den Wunschkaiserschnitt ernsthaft in Erwägung gezogen, irgendwie sind sich alle einig:

Geboren wird so natürlich wie irgendwie möglich.

Schon vor der Geburt fühle ich mich mit meinem Wunsch, kontinent zu bleiben und meine Geschlechtsteile möglichst im Ist-Zustand zu belassen, wie eine Rabenmutter. Das erste Argument ist immer das potentiell traumatisierte Child, während ich viel eher von Frauen lese, die den Gebärsaal schwer traumatisiert verlassen. Aber die stecken ja auch Endometriose, zyklusbedingte Migränen, Wechseljahre und die Nebenwirkungen der Pille weg – why trouble.

Eine weitere beliebte Aussage: «Du schaffst das, Generationen Frauen vor dir haben es auch geschafft».

Klar, das bezweifle ich ja auch nicht. Aber nur, weil ich diese Grenzerfahrung theoretisch machen könnte, muss ich das noch lange nicht, sonst könnte ich auch Bungee jumpen oder LSD konsumieren. Es muss doch möglich sein, sich wenigstens über die Alternativen zu informieren, zumal letztendlich sowieso ein ganzer Drittel der Schweizer Kinder per Kaiserschnitt zur Welt kommen.

Schliesslich rettet mich ein Gespräch mit meinem Frauenarzt.

Er merkt an, dass die Sache eher mit der kulturellen Gewichtung der Fakten und weniger mit den Fakten an sich zusammenhängt. In Argentinien zum Beispiel entbinden alle, die es sich leisten können, per Kaiserschnitt: Finger weg von meinem Beckenboden! Keine Methode sei der anderen generell überlegen, beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile.

Von meinem Frauenarzt erfahre ich auch zum ersten Mal von der «Spontangeburt mit grosszügiger Sectioindikation». Die vaginale Geburt additionally grundsätzlich auf sich zukommen zu lassen, bei Verzögerungen, Komplikationen oder sonstigen Krisen aber relativ unkompliziert auf den Kaiserschnitt umzuschwenken. Das klingt doch nach einem Kompromiss.

Rebekka Bräm, Autorin, Schwangerschaftskolumne mal ehrlich

Autorin

Rebekka Bräm magazine Texte, die in wenig Worten viel sagen. Ursprünglich Opernsängerin, arbeitet sie heute in der Kulturkommunikation und ist daneben als freischaffende Autorin tätig, unter anderem für die «Annabelle» und als Scout für «kulturzüri.ch». Schreiben ist etwas, was Rebekka passiert ist. Es hilft ihr dabei, in turbulenten Momenten ihre Ruhe wiederzugewinnen. Was sie als Autorin ausmacht, ist unzensierte Ehrlichkeit. Sie will auf den Punkt kommen, berühren und unterhalten.


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