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Samstag, März 22, 2025

Ejakulatorium Helveticum: Der Mann im Kinderwunschprozess


Was, wenn der ersehnte Beginn des Lebens in einem sterilen Klinikraum zwischen Spiegelwänden und Pornhub stattfindet? Daniel erzählt von seinen Erfahrungen als «Spermienlieferant».

Ejakulatorium Helveticum: Der Mann im Kinderwunschprozess

Da conflict er additionally: der grosse Tag! Gewiss, ich hatte ihn mir etwas anders vorgestellt. Zerwühlte Laken in Marseille, Möwenschreie an der ligurischen Küste oder auch einfach nur ein Regentag zu Hause im Bett. Aber das conflict, bevor es bei uns einfach nicht einschlagen wollte.

Nun aber! Nun würde die Zeugung meines ersten Kindes eben an einem hochnebligen Novembertag im Schweizer Mittelland stattfinden. Die Klinik versprühte den Charme des Pragmatischen: viel weiss, helles Holz, sehr helles Licht. «Herr Neuhaus?»

Ich gab der Liebe meines Lebens einen Kuss und ging mit. Schmale Lettern zierten die Tür: «Ejakulatorium».

Dahinter fand ich mich in einer kleinen Kammer wieder. Waschbecken, eine papierbedeckte Financial institution, ein Laptop und ein Band von Spiegeln, das sich über zwei volle Wände zog. Ich schmunzelte. «Spiegel!», schoss es mir durch den Kopf. «Ich bin ja nicht per se unzufrieden mit mir, aber sooo attraktiv …». Mein Blick schwenkte hinüber zum PC. Zwei Buttons waren geöffnet: Google und Pornhub.

Wir haben uns eher spät kennengelernt, meine grosse Liebe und ich. Sie wäre schneller bereit gewesen, ich brauchte noch einen Second, um in der Beziehung anzukommen.

Dann gaben wir Gasoline. Ein halbes Jahr, ein ganzes. Vorfreudig, fiebrig, innig. Mal mit jenem, mal ohne dieses. Zärtliche, liebevolle, regelmässige, durchgeplante und zusehends verzweifelte Liebe. Humor, Kommunikation und unsere Beziehung retteten uns über das Schlimmste hinweg – es schlug trotzdem nicht ein. Abklärungen zeigten: An ihr lag’s nicht (sure!). An mir auch nicht (sure – aber: oh?!).

Insemination wäre nun der logische Schritt gewesen – doch dann erlitt meine Partnerin einen Bandscheibenvorfall, der uns ein Jahr kostete. Stress und Medikamente schlugen zudem auf ihr angeknackstes Herz. Und während andere um uns herum Geburtsanzeigen schrieben, schrieben wir eine Patientenverfügung für die Operation.

Das Herz erholte sich, doch nun conflict ein weiteres halbes Jahr verstrichen – und wir wurden als zu alt taxiert für die Insemination. In-vitro sollte es nun richten, und dieser Prozess führte uns an diesem kühlen Novembermorgen in die Klinik.

Hier stand ich nun additionally im «Ejakulatorium» und mein Blick pendelte belustigt zwischen Spiegeln und Pornhub.

Natürlich conflict ich belustigt! Alternativ hätte ich deprimiert sein können – da conflict Belustigt-sein allemal besser.

Vielleicht, so sinnierte ich, kennen die Menschen, die den Raum eingerichtet haben, Männer ja bloss aus dem Fernsehen oder von Tiktok oder haben nur den Wikipedia-Eintrag über uns gelesen. Vielleicht glauben sie tatsächlich, dass wir uns beim Masturbieren gern selbst betrachten. Oder dass wir unsern Kindern eines Tages ins Gesicht schauen und dabei an «Rollige Rothaarige 3», «Heisse Hexen 5» oder «Schlampige Stiefmütter 7» denken wollen.

Jedenfalls conflict das Männerbild, das sich in diesem Raum ausdrückte, … hm … speziell.

Für Männer ist die Rolle im Kinderwunsch-Prozess ohnehin ungewohnt. Es gilt das generische Femininum. Als Vater in spe ist man bestenfalls mitgemeint, geht oft aber auch ganz einfach vergessen und manchmal wird einem auch ganz explizit gesagt, dass es einen einfach nicht braucht (und implizit, dass man eh nur im Weg ist).

Dass der eine Second, wo’s den Mann eben doch braucht, auf Becher-Porno-seien-sie-schnell verkürzt wird, spricht Bände für den Blick der Mediziner:innen auf die werdenden Väter. (Nicht, dass der Umgang mit werdenden Müttern weniger Verbesserungspotenzial böte, aber darüber schreiben besser andere.)

Ich sprach mit einem Freund, bei dem’s mit dem Nachwuchs ebenfalls holpert, über meine Erfahrung. «Ich habe mein Ejakulat ja in einem Spital abgegeben», erzählte er. «Der Raum conflict eine umfunktionierte Besenkammer, die an einem Flur lag und nicht schallisoliert conflict. Was bedeutete, dass ich während meines Solo-Aktes dem Quietsch-Klackern der Birkenstöcke und Crocs sowie Gesprächsfetzen über das Mensa-Essen und den Bluthochdruck von Frau Mangold in Zimmer 272 zuhören durfte …»

Unter uns gesagt bin ich nun im Dilemma.

Entweder mache ich mich als spezialisierter Innendekorateur selbständig, räume Spiegel und Laptop aus Ejakulatorien, arbeite stattdessen mit erotischen Schwarz-Weiss-Fotos, mit Düften oder über das Gehör (und installiere für die, die wirklich einen Porno brauchen einen QR-Code zum Klinik-WLAN).

Oder aber ich starte ein Projekt für einen Fotoband. Grossformat, Hochglanzpapier, etwas Ästhetisches für den Clubtisch. Ein Buch mit vielleicht 50 Ejakulatorien von Genfer- bis Bodensee. Ein Werk, das die verborgenen Orte der Männlichkeit ans Tageslicht zieht. Ich gebe Bescheid, wenn das Crowdfunding startet …

Bis dahin drückt mir und meiner Liebe doch bitte einfach die Daumen.

Autor

Daniel Neuhaus ist ein Pseudonym, unser Autor heisst in Wirklichkeit anders. Er lebt in der Schweiz.


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Veröffentlicht am 20. März 2025


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