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Sonntag, März 16, 2025

Die Entmündigung der Frau: Mein Bauch heisst jetzt Child


Kolumne

Kaum schwanger, verwandelt sich die Welt unserer Kolumnistin in eine Blase aus Floskeln, unerwünschten Berührungen und ungefragten Ratschlägen. Wie kommt sie da wieder raus?

Die Entmündigung der Frau: Mein Bauch heisst jetzt Child

Offenbar denkt die Welt, dass wer schwanger ist, automatisch zu einem strahleäugigen, spirituellen Wesen wird. Keine Publikation scheint auf Floskeln wie «werdende Mama» oder «Wunder der Geburt» verzichten zu können. Keine App kann mir in neutralem Ton Fakten vermitteln.

Ich lerne Worte wie Hypnobirthing, Kugelzeit, Craniosakraltherapie.

Entsprechend sind meine Erwartungen, als ich eine Stunde Schwangerschafts­yoga buche. Ich betrete den Raum und damit eine Blase der verkrampften Gelassenheit. Mit penetrant sanfter Stimme erklärt die Lehrerin den Ablauf und fragt mich, ob ich Beschwerden habe. Ich erwähne ein schmerzendes Handgelenk und bereue es sofort, denn die unermüdlich wiederholte Frage nach meinem Wohlbefinden ist mir äusserst unangenehm, und nein, ich möchte jetzt gerade auch nicht pinkeln.

Mein Bauch heisst jetzt Child, Geduldsübungen «Wehensimulation».

An einer Celebration einen Stuhl abzulehnen, steht mir nicht mehr zu. Tragen auch nicht. Man instruiert mich, für mein ungeborenes Variety zu singen, meinen Bauch zu bemalen, mit ihm per Gedanken in Kontakt zu treten.

Es ist quick, als würde «My physique, my selection» für mich nicht mehr gelten. Wie es scheint, hätte ich für dieses Privileg abtreiben müssen.

«Mein alter Sportlehrer wäre stolz auf mich», denke ich, während ich die Yoga-Übungen wenigstens ein kleines bisschen anstrengender zu gestalten versuche. Ich bin schliesslich gekommen, um match zu bleiben, ist doch hier kein Altersturnen. Doch schon im nächsten Second werde ich für meine Überheblichkeit bestraft und komme kreislaufbedingt ins Torkeln. Ist offenbar doch nicht alles ganz regular.

Regular hingegen sind unbewilligte Hände an meinem anfangs noch inexistenten Bauch.

Oder Gruselgeburtsgeschichten, Aussagen dazu, wie lange ich noch würde arbeiten können, unerfragte Erziehungstipps und Hosen mit Bund auf Geschlechtsteilhöhe. Essen kann ich als Schwangere, wenn ich Google glaube, ausser Pasta überhaupt nichts mehr (Schwangerschaftsdiabetes lässt grüssen) und wenn ich Rimuss trinke, erschallt aus irgendeiner Ecke: «Waaas? Du trinkst Champagner?!»

Ich habe mich darauf eingestellt, meine Bedürfnisse und Autonomie nach der Geburt erst einmal zurückzustellen. Dass das aber jetzt schon losgeht, kann doch nicht sein!

Mir wird die Kompetenz über meinen Körper abgesprochen und ich werde in eine Rolle gezwängt, die mir nicht entspricht.

Wer weiss, vielleicht wäre es sogar intestine für den Fötus, wenn ich ab und zu mit ihm sprechen würde. Aber eine Mutter, die sich wohlfühlt und entspannt bleibt, ist doch sicherlich noch besser.

Rebekka Bräm, Autorin, Schwangerschaftskolumne mal ehrlich

Autorin

Rebekka Bräm magazine Texte, die in wenig Worten viel sagen. Ursprünglich Opernsängerin, arbeitet sie heute in der Kulturkommunikation und ist daneben als freischaffende Autorin tätig, unter anderem für die «Annabelle» und als Scout für «kulturzüri.ch». Schreiben ist etwas, was Rebekka passiert ist. Es hilft ihr dabei, in turbulenten Momenten ihre Ruhe wiederzugewinnen. Was sie als Autorin ausmacht, ist unzensierte Ehrlichkeit. Sie will auf den Punkt kommen, berühren und unterhalten.


Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 4. Feburar 2025


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