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Sonntag, März 16, 2025

Eine Liebeserklärung an dich, mich, uns alle


Manchmal denken wir, niemand sieht, was wir alles tun. Doch! Olivia sieht uns. Und hat einen Liebesbrief geschrieben, der zmitzt ins Herz geht. Und vielleicht auch bisschen Pipi in die Augen macht…

Eine Liebeserklärung an dich, mich, uns alle

Liebesbriefe erhalten die meisten von uns selten bis nie. Andrea hat sich schon lange wieder mal einen solchen Temporary gewünscht, deshalb haben wir ihr hinterrücks einen geschrieben. Voilà.

Der Temporary ist aber nicht nur für Andrea. Sondern eben: für dich, für mich, für uns alle.

Du Liebe,

Dich mein ich. Die du da sitzt mit diesem Temporary in der Hand, den du eigentlich immer wieder bekommen solltest. Dich, die du da nun liest mit deinen wachen Augen, über die es in deinem Fall quick endlos viel zu sagen gäbe. Zum Beispiel, dass ihre Lebendigkeit und ihre Intensität etwas für dich ganz Typisches — für die Welt aber eher Rares — widerspiegeln: das ungespielte, echte Interesse an deinem Gegenüber.

Wenn ich mit dir spreche, weiss ich, dass du zuhörst, dass du da bist. Das ist mehr wert, als es dir vielleicht bewusst ist. Vielleicht merkst du noch nicht mal, wie sehr du da bist (und machst drum jetzt beim Lesen deinen Schlechtes-Gewissen-Mund), weil du zeitgleich zu allem immer auch noch mentale To-do-Hear abarbeitest, Geschenkideen sortierst und zuordnest und überlegst, was es heut zum Znacht geben könnte.

Deinen Augen ist das aber egal. Sie sind immer wach. Auch ohne Schlaf. Auch wenn es hintendran rattert. Deine Augen fangen auf, wer auch immer dir gegenübersitzt. Sie blitzen, wenn du inspiriert bist. Und sie werden zu schmalen, gletscherblauen Schlitzen, wenn es dich vertätscht. Das magazine ich so.

Ich mein aber auch dich, du gschaffige Mutter.

JEDE gschaffige Mutter.

Dich, die du da stehst, für einmal kurz mit zwei freien Händen, die nicht kleben. Dich, die du da an deinem Laptop computer sitzt. Oder dich, als einzige a) noch b) schon c) ständig wach in der Dunkelheit, deren Augen im Schein ihres Smartphones jetzt auf den Bildschirm schauen und lesen.

Dich meine ich. Ich sehe dich.

Ich sehe, wie viele Gedanken du dir jeden Tag aufs Neue machst, damit alles für alle möglichst reibungslos klappt, bevor dein eigener Tag überhaupt beginnen kann.

Ich sehe, wie du 189 – und ich meine wirklich HUNDERTNEUNUNDACHTZIG – Mal dieselbe Geschichte erzählst.

Ich sehe, mit welcher Beflissenheit du im Malbuch eine Figur ausmalst, wohl wissend, dass deine wettbewerbstauglichen Regenbogenlinien demnächst von einem rohen Neocolor übermalt werden.

Ich sehe, wie du dabei lachst. Und wie schön du dabei aussiehst.

Ich sehe dich.

Ich sehe, wie du fremde Schnuderflecken auf der Bluse so präsentieren kannst, dass am Ende selbst Bree Van De Kemp Geld für dein Outfit hinblättern würde, nur um ein bisschen von deiner Ausstrahlung abzubekommen.

Ich sehe, wie du fünf Tage in Folge mit Kinder-Showergel duschst, weil es für alles reicht, nur nicht, daran zu denken, dass du dein eigenes Duschgel wieder kaufst.

Ich sehe, dass du auf viel zu wenigen Fotos selbst mit drauf bist.

Ich sehe, dass du eigentlich keine Hand mehr frei hast und das Trotti trotzdem auch noch mitschleifst.

Ich sehe, wie du dir immer und immer wieder die Rolle des Springers zuteilst; wie du zusätzlich zu allem auch noch an die Chübelsäcke und den Zahnarzttermin, an die Ufzgi, deine traurige Freundin und an den Kuchen denkst.

Ich sehe, wie schwer deine Einkaufstasche ist.

Ich sehe, wie dir die Sprache in diejenige deiner Jugend entgleist, wenn du dich endlich ins Bett legen willst und merkst: Huere gopfetami, deins ist noch gar nicht wieder angezogen. 

Ich sehe dich. Und ich liebe, was ich sehe.

Ich weiss, dass du manchmal denkst, du seist nicht mehr so cool. So match. So modisch. So parat.

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Lass mich dir aber etwas vorrechnen: Du machst mindestens dreimal so viel mit dreimal weniger Zeit als früher, quick ganz ohne darauf zu achten, was jemand anders davon halten könnte.

Du bist drum viel mehr du als je zuvor.
Und das ist so intestine, denn du bist das Allerbeste.
Und je mehr davon – je mehr du – umso schöner für die Welt.

Danke drum für alles.

Und am meisten fürs Du-sein.

Autorin

Olivia El Sayed ist 1981 in Winterthur geboren und schrieb in verschiedenen Funktionen in und für Radioredaktionen, Agenturen und Musiklabels. Nebenberuflich studierte sie einen Bachelor lang Sprachen mit Fokus Literatur und Philosophie. Sport kann sie nicht besonders intestine, dafür Instagram: oh_olives. Sie ist die Autorin von bisher drei Büchern:  «flowery wordis», «Scheidungskinderclub» und «Alles Liebi», mit welchen sie auch auf der Bühne auftritt. Ihr erster Textual content bei uns struggle ein Artikel, für den sie lieber Haare vor dem Gesicht behält. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.


Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 27. November 2019 bei Any Working Mother, auf www.anyworkingmom.com.
Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch
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